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Abend der Aha-Erlebnisse

Manfred Lütz spricht im Kolping-Center über Hexenverfolgung und Kreuzzüge

Er will nichts weiter bezwecken, als aufzuklären. Das muss Manfred Lütz immer wieder betonen, wenn er sein 2018 erschienenes Buch „Der Skandal der Skandale - Die geheime Geschichte des Christentums“ vorstellt. „Weil ich bekennender Christ bin, geht es mir schlicht um die Wahrheit“, betonte der provokative Theologe und Psychiater aus Bonn auch bei seinem Vortrag im Kolping-Center Mainfranken: „Schließlich habe ich doch nichts davon, sollten Leute wegen meinem Buch in die Kirche eintreten.“

Lütz versteht sein Werk als Angebot, einmal tief in die weithin unbekannte Geschichte des Christentums einzutauchen. Und zwar vor dem Hintergrund der immer virulenter werdenden Frage: Taugt das Christentum noch als geistiges Fundament Europas? Oder ist seine Geschichte zu grausam? Lütz kommt zu dem Schluss: Nein, dem ist nicht so. Denn das Christentum hat nach seinen Recherchen historisch gesehen Großartiges geleistet. „Insgesamt hat es für eine deutliche Gewaltreduktion gesorgt“, legte der praktizierende Katholik in seinem Vortrag dar: „Denn es hat die brutale germanische Kampflust gebändigt.“

Friedfertigkeit, das war vor allem charakteristisch für die frühen Christen. „In den ersten tausend Jahren gab es zum Beispiel keine Judenverfolgung“, so Lütz. Auch Kreuzzüge und Hexenverfolgungen seien in den ersten Jahrhunderten des Christentums nicht vorgekommen. Überhaupt, die Hexenverfolgungen: Bis heute hält sich hartnäckig das Gerücht, dass dies eine Praxis des „finsteren Mittelalters“ gewesen sei. Weit gefehlt, belegen seriöse Hexenforscher. Lütz: „Erst als die Kirche im 15. Jahrhundert langsam ihre Macht zu verlieren beginnt, kam der Hexenglauben auf.“ Vielfach widerlegt sei auch die „Fake-News“, dass neun Millionen Hexen verbrannt worden seien.

Hexen wurden zwar zahlreiche Male verbrannt. Und jedes Mal, so sieht das auch Lütz, ist ein Mal zu viel. Doch die Zahlen sind wesentlich niedriger als gemeinhin kolportiert. „Die seriöse Hexenforschung kommt zum Schluss, dass es innerhalb von 400 Jahren 50.000 Opfer gab, die Hälfte davon in Deutschland.“ Im damals preußischen Posen wurde nach derzeitigem Wissensstand im Jahr 1793 die letzte vermeintliche Hexe in Mitteleuropa verbrannt. „Lange Zeit lehnten Christen den Hexenglauben ab“, betonte Lütz. Verantwortlich für die Hexenprozesse war im Übrigen auch nicht, wie immer wieder behauptet, die kirchliche Inquisition: „Sondern die weltliche Justiz.“

Viele Menschen fühlen sich durch das, was Lütz vertritt, düpiert. Das unterm Strich sehr positive Bild vom Christentum, das der Theologe zeichnet, stößt sie vor dem Kopf. Denn der Glaube, dass die Historie des Christentums eine einzige Skandalgeschichte ist, sitzt tief in ihnen fest. Daraus macht der Bestsellerautor keinen Hehl. Lütz findet die Resonanz auf sein Werk, das maßgeblich auf Analysen des Kirchenhistorikers Arnold Angenendt basiert, eher bemerkenswert. „Ich habe ja schon viele Bücher geschrieben, doch eine derart unglaubliche Reaktion habe ich noch nie erlebt“, erklärte er im Kolping-Center. Nicht selten hört Lütz die Äußerung: „Was Sie da geschrieben haben, glaub ich nicht.“

In anderen Bereichen, so der Autor, werden Wissenslücken gern aufgefüllt: „Wenn jemand über Bäume oder Bienen schreibt, sagen die Leute: ‚Interessant, das wusste ich gar nicht.‘“ Dies sei nicht der Fall, wird über die Geschichte des Christentums aufgeklärt. „Christen entschuldigen sich immer schon mal sicherheitshalber für ihre eigene Geschichte, ohne sie zu kennen“, konstatiert Lütz. Wobei der Mediziner immer wieder betont, dass es natürlich Skandale gegeben habe: „Es war zum Beispiel tatsächlich ein Skandal, dass im Mittelalter Ketzer verbrannt wurden.“ Auch die Kreuzzüge seien ein Skandal gewesen: „Wobei sie allerdings nicht dazu gedient hatten, zu missionieren.“

Es gibt auch heute einiges, was Manfred Lütz erbost. Dazu gehört in allererster Linie das unglaublich unmoralische Verhalten von Klerikern beider christlicher Konfessionen, die Kinder missbrauchten. „Wird ein Kind durch einen Kleriker missbraucht, ist das ganz besonders schlimm, denn das Kind verliert dadurch nicht nur das Vertrauen in Menschen, sondern auch in Gott“, betont Lütz. Dieser Skandal dürfe in keiner Weise vertuscht werden. Im Übrigen sei die Missbrauchsstudie in weiten Teilen „der schlechteste wissenschaftliche Text, den ich in meinem ganzen Leben gelesen habe“.

Dass der Synodale Weg nun versucht, eine neue Vision von Christsein zu verwirklichen, sieht Manfred Lütz ebenfalls skeptisch – was für die Zuhörer im Kolping-Center ein interessanter Punkt war. Lütz bezweifelt, dass es in zwei Jahren handfeste und vor allem zufriedenstellende Ergebnisse zum Thema „Umgang mit Sexualität“ oder „Diakonat der Frau“ geben wird. Wobei auch er Wünsche und Visionen hat. Allen voran würde sich Lütz eine Kirche wünschen, in der Priester und Bischöfe dienen: „Und Laien die Macht haben.“

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