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Mit 31 lesen lernen

Ehrenamtliche von Kolping helfen Geflüchteten beim Verstehen der deutschen Grammatik

In ihrem Heimatland hatte Tata Kone einen einfachen Job: „Ich verkaufte bei uns im Dorf kalte Getränke.“ Dafür musste sie weder lesen noch schreiben können. Das hatte die heute 31-Jährige von der Elfenbeinküste auch nicht gelernt: „Ich habe nie eine Schule besucht.“ Im Alphabetisierungskurs bei Kolping-Mainfranken taucht Tata Kone nun in die Geheimnisse der deutschen Sprache ein. Ehrenamtliche helfen ihr an jedem Donnerstag bei den Hausaufgaben.

Die deutsche Sprache wirkt, wird man neu mit ihr konfrontiert, völlig intransparent. Warum heißt es „die“ Birne, aber „der“ Apfel“? Logisch ist das nicht. Zeitwörter stellen vor ähnliche Hürden. Tata Kone zum Beispiel lernt gerade das Perfekt. Da gibt es Verben, die mit „sein“ gebildet werden: „Ich bin gegangen.“ Andere benutzen das Hilfsverb „haben“: „Ich habe gegessen.“ Tata Kone beugt sich über einen Lückentext und versucht, Aufgaben mit Perfektbildung zu lösen. Neben ihr sitzt Berthold Rix und unterstützt sie. Der 72-Jährige gehört als einer von drei Ehrenamtlichen der im Oktober neu an den Start gegangenen Hauaufgabenbetreuung für Geflüchtete bei Kolping-Mainfranken an.

Berthold Rix bringt eine Menge pädagogisches und didaktisches Know-how mit. „Ich war Mathematiklehrer im Matthias-Grünewald-Gymnasium“, erzählt er. Schon 2015, als Hunderte Flüchtlinge nach Würzburg strömten, setzte er sich ehrenamtlich für die Neuankömmlinge ein. Als er hörte, dass es bei Kolping eine neue Hausaufgabenbetreuung gibt, war er gleich mit von der Partie. Rix weiß, wie schwer es ist, eine Sprache von der Pike auf zu erlernen: „Weil ich selbst diese Erfahrung machen wollte, nahm ich vor drei Jahren an einem Arabisch-Crashkurs teil.“

Rix erfuhr auf diese Weise, welche hervorragende Leistung es vor allem im höheren Lebensalter bedeutet, sich eine fremde Sprache anzueignen. Denn es geht ja um weit mehr, als darum, Vokabeln einzupauken. Viel schwieriger ist es, die Struktur der fremden Sprache zu begreifen. Im Arabischen, lernte der Pädagoge, gibt es zum Beispiel verschiedene Ausdrücke für die Floskel „Herzlich willkommen!“ – je nachdem, ob man eine Frau, einen Mann oder mehrere Männer begrüßt. „Und das Perfekt wird bei uns nicht mit einem Hilfsverb gebildet, es besteht aus einem Wort“, ergänzt Rouida Almohamad, die sich ebenfalls ehrenamtlich in der Hausaufgabenbetreuung engagiert.

Kolping-Mainfranken bietet Sprachkurse auf unterschiedlichem Level an. Manche Teilnehmer bringen einen höheren Schulabschluss aus ihrem Heimatland mit, vielleicht haben sie sogar ein paar Semester studiert. Andere haben, wie Tata Kone, nie eine Schule besucht. Oder höchstens zwei, drei Klassen absolviert. „Die Hausaufgabenbetreuung ist vor allem für jene Kursteilnehmer gedacht, die, weil sie gar nicht oder kaum in die Schule gingen, nicht wissen, wie man lernt“, erläutert Theresa Kirchner, die den Bereich Sprache & Integration bei Kolping-Mainfranken leitet. Augenblicklich nehmen 15 Geflüchtete die Hausaufgabenhilfe wahr.

Rouida Almohamad ist es seit jeher gewohnt, zu lernen. Sie legte in Syrien das Abitur ab und hatte vor, Grundschullehramt zu studieren. Der Krieg ließ alle Träume platzen. Mit 21 Jahren kam Almohamad 2017 nach Deutschland – wo sie sofort und mit aller Konsequenz daran ging, Deutsch zu lernen. „Ich habe jeden Tag geübt, auch am Wochenende“, berichtet die Absolventin eines Kolping-Integrationskurses, die eben begonnen hat, Soziale Arbeit in Würzburg zu studieren. Weil sie weiß, wie wichtig es für Geflüchtete ist, die deutsche Sprache zu beherrschen, engagiert sich Almohamad an jedem Donnerstag eineinhalb Stunden lang in der Hausaufgabenbetreuung.

Die ersten Module der Alphabetisierungskurse sind immer noch recht einfach, schildert Theresa Kirchner: „Die Kurse fangen damit an, dass die Teilnehmer lernen, einen Stift zu halten, denn selbst das ist für viele ungewohnt.“ Dann wird damit begonnen, die einzelnen Buchstaben des Alphabets nachzumalen. Von Mal zu Mal werden die Inhalte komplizierter: „Wer niemanden kennt, der Deutsch spricht, hat sehr oft Probleme, die Hausaufgaben zu erledigen.“ Alleingelassen vor den Aufgaben zu sitzen, kann jedoch leicht Frust erzeugen. Dem soll mit dem neuen Projekt vorgebeugt werden.

Tata Kone ist froh, dass sie jeden Donnerstag einen Ehrenamtlichen um Rat fragen kann, wenn sie mit ihren Aufgaben nicht weiterweiß. Überhaupt sieht sie es als große Chance an, lesen und schreiben lernen zu dürfen: „Darüber bin ich wirklich sehr glücklich.“ In ihrem Heimatland hatte sie diese Chance nicht, weil sich ihre Eltern trennten, als sie noch ein winziges Baby war. Kone wuchs bei ihrer Großmutter auf. Die kümmerte sich auch gut um die Enkelin. Eine Schulbildung konnte sie ihr jedoch nicht ermöglichen.

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